Freitag, Juni 16, 2006

Erschütternd


Zwar ist dieses Bild hier schon ein paar Tage alt, aber es dürfte so ziemlich genau dem Gesichtsausdruck entsprechen, den ich heute morgen um halb sechs hatte. Ich bin aus dem Schlaf geschreckt und irgendwie war alles komisch. Mein erster Gedanke war, dass es mein Mitbewohner sein könnte, der an meiner Tür rüttelt. Mein zweiter Gedanke war (man möge mir verzeihen) das mein Untermieter vielleicht ein besonders stürmischer Liebhaber sein könnte. Mein dritter Gedanke, bei dem ich dem Wachzustand und damit dem Vollbesitz meiner geistigen Kräfte am nächsten war, war, dass hier in Kalifornien im Mietpreis ja praktisch die Erdbeben inbegriffen sind. Anstatt, wie sich das für einen halbneurotischen Angsthasen gehört, rumzupaniken und nackt aus dem Haus zu rennen, hab ich die Sache wie ein Rocker durchgestanden. Lag jetzt weniger daran, dass ich in der Zwischenzeit wahnsinnig mutig geworden wäre, sondern viel mehr daran, dass ich mich zum panisch und nackt aus dem Haus rennen erst mal ausziehen hätte müssen. Und bevor ich einen wirklich durchdachten Entschluss fassen konnte, was denn eine angemessene Reaktion auf diese Situation sein könnte, wars auch schon rum. Da war nicht viel Zeit, zum Held sein. Vielleicht beim nächsten mal...
Von meinem Mitpraktikanten hats keiner mitgekriegt, aber im Geschäft haben mir ein paar Kollegen bestätigt, dass es tatsächlich ein Erdbeben war. Und ich habs durchgestanden. Ganz allein.

Am letzten Wochenende waren wir übrigens wieder auf einem Musikfestival. War nett, aber nicht so aussergewöhnlich, dass ich da übermäßig viel drüber schreiben könnte. Die Arbeitswoche war gekennzeichnet von Meetings. Wenn wir grade mal kein Meeting hatten, dann stand eine Sitzung oder ein Treffen auf dem Programm. Oder auch gern mal zwei. Was mich besonders erfreut hat, ist dass Arshan im "Big Room" die WM Spiele mit einem Beamer projiziert. So kann ich live mit Euch mitfiebern und -feiern. Wenn ich nicht grad in einem Meeting bin, oder aus Solidarität mit meinem polnischen Mitpraktikant eher eine gedeckte Stimmung zu Tage lege... höhö...

Heute war ein feiner Tag. Zwar hab ich nicht allzuviel neues auf die Reihe gekriegt, dafür aber geerntet, was ich in den Wochen zuvor gesät habe: Ich habe den Roboterarm in meinem Büro aufgebaut, den Sensorhandschuh im Softwarelab gelassen und zwischendrin Sun SPOTs an die Wand geschraubt, auf denen die Mesh Software läuft, an der ich mitgearbeitet habe. Dann hat mir Martin geholfen mit einer Webcam eine Videoverbindung vom einen Raum in den anderen aufzubauen. Und dann konnte man im einen Raum mit der Hand den Roboter fernsteuern, der in einem Raum in einer anderen Ecke des Gebäudes steht. Die Signale wurden dabei von den SPOTs, die zwischendrin an der Wand hängen, weitergeleitet. MeshNetwork halt. Die anderen fandes es sehr cool und mir hat es total Spass gemacht.

Ansonsten verbrachte ich viel Zeit mit vergeblichen Anrufversuchen beim Gericht in Ukiah. Dort muss ich mich erkundigen, wieviel mein Strafzettel kostet und wie ich ihn bezahlen kann. Da find ich unser System in Deutschland deutlich toller, wo man die Ärgerzettel direkt heimgeschickt bekommt. Vor allem wenn man bedenkt, dass ich mehr als 30 mal angerufen habe, ohne ein einziges Mal durchzukommen. Wie stellen die sich das vor? Von wegen Serviceparadies USA. Schließlich habe ich einen Brief geschrieben, in dem ich darum bitte, meine Strafe bezahlen zu dürfen. Mein polnischer Mitpraktikant, der ihn freundlicherweise Korrektur gelesen hat, fand das ganze bizarr bis lächerlich. Aber er war wie ich der Meinung, dass man da besser nichts anbrennen lässt. Schließlich will ich meine letzten drei Wochen nicht in Guantanamo verbringen.

Morgen machen wir uns direkt nach der Arbeit auf zu einem unserer letzten gemeinsamen Nationalpark-Ausflüge (wir besteigen Halfdome in Yosemite). Ja, die Zeichen stehen langsam auf Abschied. Und so sehr ich mich auch auf zu Hause und Euch alle freue, es kommt auch Wehmut auf. Vor allem in den letzten Wochen hatte ich eine tolle Zeit mit Martin, Christian, Michal, Michael, Arshan, Pete und wie sie alle heißen.

Von unserem Wochenende und allem anderen mehr in der nächsten Woche. Seid Gott befohlen!

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